Das Menschliche im Schicksal: Eine Reflexion über Deutschlands Herausforderungen
Das Schicksal wird oft als Ergebnis menschlichen Handelns betrachtet, eine Thematik, die Gabriel García Márquez in seinem Werk „Chronik eines angekündigten Todes“ eindrucksvoll behandelt. Dieser literarische Text hat viel mit der aktuellen Situation in Deutschland zu tun.
Márquez’ Erzählung fungiert nicht nur als fesselnder Roman, sondern auch als eindringliche Warnung. Viele gesellschaftliche Fragestellungen lassen sich bereits früh erkennen. Die entscheidende Frage bleibt dabei, ob wir aktiv werden oder passiv abwarten. Deutschland sieht sich gegenwärtig mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, wobei es im Gegensatz zu Santiago Nasar die Möglichkeit hat, das Ende dieser Erzählung selbst zu gestalten.
Gabriel García Márquez’ Werk trägt in der türkischen Ausgabe den Titel Kırmızı Pazartesi, was „Der Rote Montag“ bedeutet. An einem Montag geschieht das Unheil im Roman – und auch in Deutschland erlebten wir nach den Bundestagswahlen solch einen Montag. Ein Tag, der möglicherweise nur leicht schwarz erschien, doch je nach den Entwicklungen in den kommenden Jahren das Potenzial hat, zu einem „Roten Montag“ zu werden.
Im Roman wissen die Dorfbewohner von der bevorstehenden Tragödie, doch nur wenige ergreifen Maßnahmen. In Deutschland ist eine ähnliche Haltung des stillen Hinnehmens weit verbreitet, sowohl in der Politik als auch in Bezug auf soziale Ungerechtigkeiten und drängende Themen wie den Klimawandel und den Rechtsruck. Die Hemmschwelle, Missstände anzusprechen, ist hoch, oftmals geprägt von Angst vor sozialem Druck oder tiefer Resignation.
Die Brüder Vicario bringen Santiago Nasar um, um ihre Ehre wiederherzustellen – nicht aus eigenem Antrieb. Ähnlich verhält es sich heute: Entscheidungen werden häufig nicht nach logischen Überlegungen getroffen, sondern sind das Resultat von Gruppenzwang oder ideologischen Überzeugungen. Die politischen Lager verfestigen sich, und Menschen stehen ein für Narrative, auch wenn diese unhaltbar sind, weil es mehr um Image als um die Wahrheit geht.
„Da kann man nichts machen“ – diese Phrase hört man oft in Bezug auf hohe Mieten, soziale Ungleichheiten oder politische Fehlentwicklungen. Doch, wie in Márquez’ Erzählung, ist das „Schicksal“ in der Regel ein Resultat unseres Handelns oder besser gesagt Nicht-Handelns. Zukünftige Entwicklungen sind formbar, wenn wir uns nur als aktiven Teil des Prozesses begreifen.
In „Chronik eines angekündigten Todes“ eskaliert die Thematik, weil Kommunikation missverstanden wird. Ein ähnliches Phänomen beobachten wir in Deutschland: Polarisierung durch soziale Medien, Desinformation und divergierende Lebensrealitäten führen dazu, dass viele Menschen nur die Informationen konsumieren, die ihre eigenen Ansichten bestätigen. Die Gefahr ist groß, dass in einem solchen Klima die Menschen nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander reden.
Am Ende des Romans bleibt unklar, wer für Santiagos Tod verantwortlich ist – jeder hätte ihn retten können. Auch hier stellt sich die Frage: Wer trägt die Verantwortung, wenn gesellschaftliche Herausforderungen nicht gemeistert werden? Ist es die Politik, die Wirtschaft oder der Einzelne? Tatsächlich sind alle involviert.
Die Herausforderungen unserer Gesellschaft lassen sich oftmals früh erkennen. Die Frage bleibt, ob wir aktiv handeln oder in der Passivität verharren. Anders als Santiago Nasar haben wir in Deutschland die Möglichkeit, den Ausgang dieser Geschichte selbst zu bestimmen, vorausgesetzt, unsere gewählten Vertreter stehen dem positiv gegenüber.
Artikel von Ahmet Refii Dener, ein Experte für die Türkei, Unternehmensberater und Jugend-Coach aus Unterfranken, der für eigenständiges Denken plädiert und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr über ihn auf seinen sozialen Medien und seinem Blog.