Seit dem letzten Bundesparteitag der Linken hat sich ein hitziges Gespräch entfacht über das Verhältnis der Partei zur Frage des Antisemitismus. Der entscheidende Auslöser war die Annahme der Jerusalemer Erklärung (JDA) als fundamentales Instrument für den Umgang mit antisemitischen Phänomenen. Diese Definition wurde von einflussreichen Expertinnen und Experten, hauptsächlich aus jüdischen und israelischen Kreisen, entwickelt.
Die Linke begrüßt die JDA im Prinzip als sinnvolle und präzise Rahmensetzung zur Bekämpfung des Antisemitismus. Gleichzeitig kritisieren einige Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland diese Entscheidung, da sie den politischen Kontext und die Realität des jüdischen Lebens hier ignorieren könnten.
Der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster äußert Bedenken, dass die JDA den Rahmen des breiten Spektrums jüdischen Lebens in Deutschland verlassen könnte. Er warnt vor einem Abstand zur Lebensrealität vieler jüdischer Menschen und fragt nach, ob Die Linke noch das jüdische Leben hier wünscht.
Indem Schuster die JDA als problematisch darstellt, diffamiert er eine Partei, die im Bundestag stärker in Opposition zu rechtsextremen Kräften steht. Schusters Aussagen enthalten auch falsche Behauptungen und ignorieren zudem, dass die JDA explizit antisemitische Ansichten kritisiert.
Die Linke befindet sich oft in einer politischen Minderheitensituation. Daher ist es wichtig, komplexe Themen wie Antisemitismus nicht nur durch wissenschaftliche Diskussion zu klären, sondern auch im Kontext der Situation in Israel und Palästina zu sehen. Diese Debatte hat sich zunehmend zur politischen Arena für das Verhältnis zwischen den Parteien entwickelt.
Für eine tatsächliche Verbesserung ist es notwendig, die jetzige Entscheidung als Ausgangspunkt für eine offene und vertiefte Diskussion zu nutzen. Die Linke sollte sich mit Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Communities aus Deutschland und anderen Ländern sowie WissenschaftlerInnen auseinandersetzen.
Als nächster Schritt könnte es sein, die Themen Antisemitismus, das jüdische Leben in Deutschland heute und die Beziehung zu Israel und Palästina nicht voneinander zu trennen. Ohne diese Differenzierungen wird eine konstruktive Debatte über den Umgang mit Antisemitismus schwierig.
Gil Shohat, der Leiter des Länderbüros Israel der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv, betont die Bedeutung einer inklusiven und erkenntnisorientierten Diskussion. Er empfiehlt eine engere Zusammenarbeit mit israelischen Expertinnen und Experten für jüdische Angelegenheiten.
Insgesamt zeigt sich, dass die Linke trotz der Komplexität der Thematik den Versuch unternommen hat, einen konstruktiven Weg zu finden. Die künftige Aufgabe besteht darin, diese Diskussion weiter auszubauen und sie auf eine breitere Basis zu stellen.